Das Vorweg genommene Fazit: Es geht und es ist einfacher als gedacht.

Nachdem wir im Frühjahr 2017 vollständig nach Berlin gezogen sind nahmen wir unser Auto mit, worauf es abgesehen für TÜV und Montage Winterreifen eigentlich nur im Carport stand. Was dann auch der Grund war warum wir Anfang 2018 dann unseren lieb gewonnen Golf7 GTI verkauften. Anfang 2020 sind wir in die Schweiz in eine kleine Stadt am Zürichsee gezogen, immer noch ohne Auto.

Es gibt Gründe warum man ein Auto zwingend benötigt, z.B. Wenn man als Handwerker Material transportieren muss, dieser Post bezieht sich explizit nicht auf diese Fälle. Kinder allein gehören allerdings nicht zu den Gründen warum man ein Auto braucht, wir kennen genug Paare mit bis zu 4 Kindern die ohne Auto auskommen.

Gründe warum man kein Auto braucht in Berlin und anderen Ballungsräumen:

  • Staus/Zeiteffizienz, man ist nicht nur zur Rushhour mit ÖPNV/Fahrrad meistens Schneller als im Auto, sondern auch zu normalen Zeiten
  • Parkplätze, wir haben zwar den Komfort eines Carports, aber Parkplätze sind rar
  • Kosten, die Kosten eines Autos werden als eben da kosten häufig akzeptiert, und selbst einfache ältere Autos kosten im Unterhalt meist über 300-400€ pro Monat
  • Umweltschutz/Klimaschutz/Lebenswerte Stadt, Autos benötigen viele Rohstoffe um hergestellt zu werden, als auch schon in der Herstellung viel Energie. Man bewegt 1.5t um 150kg Nutzlast zu bewegen, ein schlechteres Verhältnis gibt es fast nur in der Raumfahrt. Autos belegen in Innenstädten extrem viel Platz, der anderweitig viel besser genutzt werden könnte als Autos die im Schnitt 90% des Tages nur rumstehen und darauf warten benutzt zu werden.
  • ÖPNV kann wenn es die öffentliche Hand richtig fördert auch in größeren Flächen im Umland eingesetzt werden. Ein gutes Beispiel ist hier die Umgebung um Zürich und Zug

Ohne Auto zu Zeiten von Corona

Volle Züge und dichtes Gedränge an den Bahnhöfen gab es zumindest im Züricher Umland selten. Die Züge sind nur mittelmäßig ausgelastet und erlauben einen komfortablen Abstand zwischen den Menschen. Aktuell ist aber auch das Wetter so das ich und viele andere das Fahrrad benutzen, d.h. Es wird im Herbst/Winter noch einmal spannend wie sich das ganze Entwickelt im Bereich ÖPNV. Das Fahrrad an sich ist in dieser Hinsicht vermutlich ein recht komfortables und Sicheres Verkehrsmittel. Als das Thema Corona aufgekommen ist, habe wir unseren Fuhrpark durch ein s-Pedelec ergänzt (war Zufall aber eine hervorragende Ergänzung), das die Strecke zum Büro (10km) innerhalb von 15-20 Minuten schafft und es auch erlaubt mein 150hm höher gelegenes Büro schnell und ohne Schweiß zu erreichen.

Lösungen

Zur Arbeit und Alltägliche Wege

ÖPNV

Ich selbst habe meist die Möglichkeit antizyklisch zu den meisten ÖPNV Benutzern zu fahren, d.h. Ich fahre meistens etwas früher oder etwas später als die meisten, klappt aber auch nicht immer. Selbst zur Rushhour sind Berliner ÖPNVs meistens erträglich gefüllt, man muss zwar stehen, ist aber noch kein gruppenkuscheln wie in anderen Metropolen. Zugegebenermaßen der ein oder andere Mitpassagier könnte sich häufiger Duschen… der Vorteil ist, ich habe schon Zeit auf die ersten EMails zu reagieren und das ein oder andere Paper zu lesen. Im Gegensatz zur U-Bahn ist die S Bahn, Busse und die Trams recht gut klimatisiert. In der Schweiz kam noch hinzu das mein Arbeitgeber das Jahres-Ticket zum Wohnort übernimmt wenn ich keinen Parkplatz brauche.

Fahrrad/eBike

Berlin ist flach, entsprechend einfach ist es auch mit dem Fahrrad von a nach b zu kommen. Ein Problem ist häufig das Radwege nur als Schutzstreifen ohne physische Trennung zur Straße hin ausgeführt sind, was sich zwar gerade partiell ändert, aber immer noch viel Potential zur Verbesserung hat. Hinzu kommt das viele Straßen noch Pflastersteine als Oberfläche haben, diese würde ich so weit es geht meiden. Wichtige Punkte die gerne von Fahrradfahrern übersehen werden, Ampeln gelten auch für Fahrradfahrern und Rotlicht vergehen können empfindliche Strafen inkl. Punkte in Flensburg (wenn Führerschein vorhanden) nach sich ziehen. Weiter sind Bürgersteige wenn kein Radweg vorhanden ist den Fußgängern vorbehalten, auch bei Pflastersteine auf der Straße.

In der Schweiz war ich positiv überrascht was das Thema Fahrad betrifft.

  • Fast alle größeren Straßen haben ein Fahrradschutzstreifen (ein Fahrradweg wäre besser, dafür gibt es den Schutzstreifen zumindest recht konsequent wo notwendig).
  • Speed-Pedelecs (bis 45km/h) dürfen Radwege benutzen.
  • Mein Arbeitgeber stellt in der Tiefgarage eine größere Fläche (in Form eines großen Käfigs mit 50+ Fahrradstellplätzen) nur für Fahrräder zur Verfügung die mit einem Fingerabdruckscanner geschützt ist.
  • Viele Kollegen kommen mit dem Rad

Lastenrad

Das Lastenrad stellt bei uns das Arbeitstier da, größere Einkäufe, der Besuch beim Hofladen, Regal vom Baumarkt, Getränkeeinkauf bei der lokalen Brauerei. Mit bis zu 250kg Gesamtgewicht, einem Eigengewicht von 50kg ist das Nutzlast zu Eigengewicht-Verhältnis bei 1:4, also um Faktor 40 besser als beim Auto. Das Verhältnis zwischen Auto und Raumfahrt ist da nicht krasser (typisch genutzte Nutzlast, nicht max). (1:25-40 bei der Raumfahrt (Ariane 5, je nach Beladung), beim Auto 1:10, also auf 1t Auto kommen 100kg Mensch und anderer kram). Wir haben es erst in der Schweiz gekauft, es ist wie man sehen kann auch ein e-bike, was hier bei manchen Bergen und größeren Hügeln auch notwendig ist, wenn es Alltagstauglich sein soll. Wenn man sich überlegt eins Anzuschaffen, wichtig etwas länger Probefahren, das Fahrverhalten unterscheidet sich deutlich von Konzept (Loh John, Dreirad etc.) zu Konzept.

Freizeit

Ausflüge

Wir sind begeisterte Wanderer. In Berlin ließen sich viele schöne Ecken mit der Bahn erreichen. Aber auch Wochenendausflüge in die Sächsische Schweiz sind mit den öffentlichen gut möglich. In der Schweiz sind es recht ähnlich aus das Bus/(S-)Bahn/Tram Netz ist hier sehr gut ausgebaut und erlauben einem fast überall hinzukommen. In Einzelfällen Mieten oder Leihen wir uns eine Auto, kommt aber eher sehr selten vor.

Ausgehen

Sowohl in Berlin, als auch in der Schweiz kein Problem, besuche bei Konzerten, Essen gehen, auch mal im 20km entfernten Zürich, kein Problem mit ÖPNV. Wenn es mal sehr spät wird, wird es auch mal ein Taxi/Uber, das selbst wenn es mal 50-80CHF kostet, ist es bei weitem günstiger als jedes eigene Auto, und man muss sich auch keine Gedanken machen wenn man mal ein Gläschen Wein getrunken hat.

Größere Transporte

Hier gibt es in Berlin diverse Lösungen, vom Möbeltaxi die ihre Dienste direkt neben großen Möbelhäusern anbieten, Getränke Lieferanten, über Car Shareing bis zum Leihwagen/Transporter. Über Nachbarschafts-Apps findet man auch Leute die helfen oder auch den selben Weg zum Recycling-Hof haben. In der Schweiz ist das tatsächlich etwas schwieriger, den letzten IKEA Einkauf haben wir online gemacht und liefern lassen (hätten wir aber auch nicht in einen PKW bekommen). Mit dem Lastenrad können wir 95% der größeren Transporte abdecken.

Urlaub

Wir versuchen soweit es geht mit der Bahn unsere längeren Wege zu bestreiten. Es kommt aber auch mal vor das wir ein Auto mieten, oder wenn es nicht anders geht Fliegen wir auch mal (bei Strecken länger 1000km, meist 1 mal pro Jahr Familienbesuch in Südfrankreich, suchen hier aber auch nach einer vernünftigen und bezahlbaren Schienen-Alternative, ist aus der Schweiz besser möglich als von Berlin) Fliegen.

Auf längeren Internationalen Strecken lohnt sich schnell ein Interrail Ticket. Die DB ist wenn es um internationale Verbindungen leider schnell recht Teuer…

Fazit

Es geht ohne Auto, zumindest für uns, es gibt mit Sicherheit Menschen, Familien die durch Beruf etc. Auf ein Auto angewiesen sind. Was jeder für sich überlegen sollte ist, ob er das Auto tatsächlich braucht oder wegen des vermeintlichen Komforts und/oder Gewohnheit sich nicht davon trennen will, und wie wichtig ihm/ihr das ganze ist. Ich versteh es wenn Menschen sich nicht vom Auto trennen wollen, im Zuge einer Mobilitätswende, müssen Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Industrie Alternativen Schaffen die attraktiv sind und auch in Zeiten von Corona etc. Ohne Angst Nutzbar sind (was die Herausforderung mit Sicherheit nicht reduziert).

marcus

Name: Marcus von Wilamowitz-Moellendorff Birth Year: 1981 Material Status: Married Hobbies: Blogging, Technology, Photography Education Industrial Electronic Technician Dipl. Inf. (FH) MSc (Practical Computer Science) MBA (Focus on Engineering Management) Focus of Work: Be a good example as elected team lead from/for my team Agile Development processes for safety relevant EE Systems (ISO 26262) EE System Development Tool Development Working Groups: VDV IP-KOM-ÖV WG for EN13149 7-9 ITxPT Professions: Autonomous Vehicle EE Architecture related (somehow the same or similar Project) Since 01/2018 Head of R&D/CTO @ HFM (Technical Focus on EE Architectur and Software for Self Driving Mobility Vehicles) 07/2017-01/2018 EE System Architect @ IBEO 07/2016-07/2017 Head off EE for Olli Project/Local Motors, technical lead in Germany Vehicle EE Architecture and Software Development 10/2011-07/2016 EE System Architect Lead CV and Product Manager 01/2003-10/2011 Hard and Software Developer @ Epislon Focus on Consulting/Vehicle Integration
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